"Nun wollte ich auch zwei Glocken im Turm haben"
Seine Durchsetzungskraft und sein Geschick verhalfen ihm auch dazu. Er fand sie in einer Gießerei in Frankfurt / Main rechtzeitig vor der Kirchweihe.
Doch jede Gemeinde, die Glocken ihr Eigen nennt, hat im Grunde eine entsprechende - zum Teil auch leidvolle - Geschichte mit ihnen. Hähnlein ist es, seitdem eine Kapelle vorhanden war, nicht anders ergangen. In der Regel waren es die Kriege im Lauf der Geschichte, die Glocken für sich in Anspruch nahmen: das Material, die Bronze, kann genauso gut für Kanonen gebraucht werden. Zuletzt hatte der Zweite Weltkrieg im Grunde keine Gemeinde verschont, hat große wie kleine, wertvolle alte wie auch neue Glocken von den Türmen genommen. Sie wurden auf die sogenannten ‚Glockenfriedhöfe‘ verbracht, die letztlich nichts anderes als Materiallager waren, um in einem komplizierten Verfahren die Metalle wieder zu trennen in Zinn und Kupfer. Manche Gemeinde hatte das Glück, ihre alten Glocken wieder zu bekommen, viele andere waren gezwungen unter großen finanziellen Opfern ihr altes Geläute wieder herzustellen oder zu vervollständigen. Auch unserer Gemeinde blieb es nicht erspart. Doch wenden wir uns dem Anfang zu, soweit er überliefert ist.
1. Glocke
Die erste Glocke wird selbst nicht erwähnt, es findet sich aber in einer Kirchenrechnung von 1578 der Hinweis: ‚ein Glockenstrang für 1 fl‘. Wo ein Glockenstrang, also ein Seil zum Läuten einer Glocke vorhanden ist, muß auch eine Glocke sein.
So hatte die Laurentiuskapelle schon relativ früh (oder von Anfang an ?) einen Dachreiter, der eine kleine Glocke tragen konnte. Hierbei handelt es sich noch nicht um das bekannte und sogenannte ‚Silberglöckchen‘, dieses kam erst später. Über diese erste Glocke gibt es keine weiteren Angaben. Sie ist, so dürfen wir annehmen, den Wirren des 30-jährigen Krieges zum Opfer gefallen.
2. Glocke
Über das Silberglöckchen wissen wir wesentlich mehr, war es doch bis zum 2. Weltkrieg hier in der Gemeinde, und seit Bestehen der neuen Kirche auf dem Dach des alten Schulgebäudes in der ‚Hinnergass‘. Dieses ist mittlerweile abgerissen, an seiner Stelle ist heute ein neues Wohngebäude. Von dem früheren Lehrer Schmidt gibt es darüber Aufzeichnungen (nach einer Niederschrift vom Jahre 1940). Mit den weiteren Angaben beziehe ich mich hierauf. Die Glocke hatte folgende Auf-/Umschrift:
DVRCHS FEVER FLOS ICH IOHANN WAGNER IN FRANCKFVRT GOS MICH 1650 ¡
Außerdem wies sie zwei Siegel auf mit folgenden Inschriften und einem Kreuz in einem Kreis:
(1.) Sanctus Kilianus
(2.) St. Johannes
(3.) ein Kreuz
außerdem eine (Um-)Schrift: SCT. NOMEN DIE BENEDICTUM
(Übersetzung: Der heilige Namen Gottes ist (sei) gelobt)
Die Siegel lassen die Vermutung zu, daß diese Glocke nicht extra für Hähnlein gegossen wurde, sondern bei dem Frankfurter Gießer lagerte und zum Verkauf stand.
Darüber hinaus haben wir weitere Angaben, die ihren (Schlag-)Ton vermuten lassen:
Durchmesser ca. 52 cm, Gewicht 216 Pfd /108 kg.
Bei diesen Daten könnte der Schlagton f‘‘ oder g‘‘ gewesen sein, also um einiges höher, als die kleinste auf dem Turm befindliche Glocke.
3. und 4. Glocke
Wie schon erwähnt, sollte die neue Kirche auch zwei neue Glocken bekommen, diese hat May noch vor der Kirchweih in Frankfurt gekauft. Wie man weiß, murrten etliche aus der Gemeinde dagegen, und er hatte große Anstrengungen, sich zu rechtfertigen und die Anschaffung plausibel zu machen. Immerhin kosteten sie 550 fl.
5. Glocke
Von diesen beiden neuen Glocken zersprang eine beim Trauergeläute 1739 für den Landgrafen Ludwig. Nebenbei bemerkt: in diesem Falle war es angeordnet, daß die Kirchen eine Stunde (!) lang zu läuten hatten. Wenn hierbei keine Pausen gemacht werden, können Glocken leicht einen Sprung bekommen, und werden somit unbrauchbar. Erst in 1741 war es möglich, die gesprungene Glocke umzugießen. May machte sich zur Mitternacht (!) auf den Weg nach Worms. Dort hatte er Glück, und konnte nach dem Umguß eine neue Glocke mit nach Hähnlein nehmen. Diese Glocke ist heute noch auf dem Turm und trägt das Gußjahr 1741. Bleibt allerdings die Frage, wie das auf diese Weise neu zusammengestellte Geläute geklungen hat. Denn selbst bei nur zwei Glocken ist es für das Ohr erträglicher, wenn die Intervalle stimmen. Heute würde man zuerst bei den vorhandenen Glocken eine entsprechende Tonanalyse durchführen, um dann zu einem weiteren Glockenguß zu schreiten. Der Bürgermeister hat sich vielleicht auf sein Gehör und das Gewicht und den Durchmesser der gesprungenen Glocke verlassen. Doch wer weiß.
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Von diesen beiden Glocken wurde im 2. Weltkrieg die Größere abgegeben, sodaß die eine der beiden Glocken aus 1741 mit dem Schlagton d‘‘ erhalten blieb. (d‘‘ meint den Ton d in der Oktave über dem ‚Schlüsselloch‘-C). Über diese Abgabe waren bis heute keine weiteren Aufzeichnungen zu finden. Denn in der Kriegszeit wurde der damalige Pfarrer Prätorius eingezogen. Er fiel in Rußland. Für ihn nahm der vorige Pfarrer, Pfr. i. R. Bolitsch wieder den Dienst in der Gemeinde auf. Außerdem ist in dieser Zeit auf Grund der politischen Umstände in vielen Gemeinden die Kirchenchronik nicht geführt worden.
6. Glocke
Als der Krieg um war und man wieder einigermaßen sortiert war mit dem Leben, haben sich viele Gemeinden der Mühe unterzogen, die abgenommenen Glocken wieder durch neue zu ersetzen. Viele schöne Geläute sind entstanden, die Gießereien hatten alle Hände voll zu tun. Auch unsere Gemeinde bemühte sich um eine neue Glocke. Unter Pfr. Andres, der später nach Eberstadt an die Dreifaltigkeitsgemeinde ging (die Christuskirche wurde erst um 1960 unter seiner Leitung gebaut) begann mit der Beschaffung des Geldes. Er trägt im Jahr 1950 in die Chronik ein „Den Auftrag zum Guß der Glocke erhielt durch Kirchenvorstandsbeschluß vom 26. Juni 1950 die Fa. Bachert, Kochendorf/ Württbg., Glocke „h", mittlere Rippe, 295 kg,
Preis: 1844,45 DM.
Die Fa. versprach, die Glocke bis zum 2. November zu liefern, sodaß sie am 5. November zum Ref. Fest hätte eingeweiht werden können, konnte aber (...) nicht liefern."
Die nächste Eintragung ist schon vom neuen Pfarrer, Herrn Pfarrer Lahl:
„Am 3. Dezember 1950 morgens zog Pfarrer Andres nach Darmstadt - Eberstadt (...). Am gleichen Tag zog ich mit meiner Familie (...) in Hähnlein im Pfarrhaus ein."
So fiel der Glockenguß gleich in die erste Amtszeit des neuen Pfarrers, was aus folgenden Zeilen hervorgeht: „Die 2. Glocke, die mein Vorgänger, Pfr. Andres, noch bei der Firma Bachert in Kochendorf / Wttbg. in Auftrag gegeben hatte, wurde Anfang des Jahres 1951 in Gegenwart des Bürgermeisters Gerhard, des Kirchenvorstehers Kraemer (Schmiedemeister), des Bäckermeisters Peter Hechler und mir gegossen und am Freitag, den 16. März an der Ortsgrenze in fröhlichem Zuge eingeholt und auf dem Marktplatz zur Besichtigung aufgestellt, wobei auch die entsprechenden Gedichte u. Ansprachen nicht fehlen durften. An einem der nächsten Sonntage wurde die Glocke ihrer Bestimmung übergeben. Seit dieser Zeit hat die Kirche wieder ihr harmonisches zweistimmiges Geläute." (Chronik, Seite 265)
Die Glocke trägt ein Wort aus dem Buch des Propheten Jeremia - oder sollte man besser sagen: bringt bei jedem Läuten ein Wort des Propheten Jeremia zum Klingen:
O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort‘
Jeremia 22, 29
Sie ist also, die richtige Zählung vorausgesetzt, die 6. Glocke auf unserem Kirchturm.
Hier noch die Daten der alten Glocke:
Gewicht: 295 kg
Schlagton: d ''
Gußjahr: 1741
Umschrift: 1741 gegossen Johann Conrad zu Wormbs für die Gemeind im Hähnlein
Soweit die Geschichte der Glocken, wie sie aus den Aufzeichnungen aus den verschiedenen Jahrhunderten nachzuvollziehen ist.
Gebe Gott, daß alle Glocken bleiben können, wo sie sind, und daß sie tun können, wozu man sie geschaffen hat: Menschen einzuladen, die Botschaft vom menschenfreundlichen Gott zu hören und ihn zu loben und ihm zu danken.