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Geschichte der Hähnleiner Orgeln

Orgelprospekt

Als die hiesige Gemeinde den ersten Kirchweihgottesdienst feierte, mußte noch eine tragbare Kleinorgel (Positiv) aus der Landeshauptstadt Darmstadt herbeigeschafft werden, denn beim Neubau der Kirche war an eine Orgel, sicherlich auch aus finanziellen Gründen, nicht zu denken. Außerdem war eine ständige Orgelbegleitung der Lieder und Gesänge, wie wir sie heute gewohnt sind, überhaupt nicht üblich!

Die Orgel kam erst 1747. Betreiber der ganzen Sache war, wie beim gesamten Kirchenneubau auch, der alte Bürgermeister May. Hier in kurzen Zügen ein kleiner geschichtlicher Abriß der Orgeln in unserer Kirche. 

 

Der damalige Gemeindepfarrer, Pfarrer Busch, schreibt im protocollum pastorale, Seite 196:

„Da an hiesigem Ort das Gesäng gar zu schlecht war, indem solches durch verschiedene Vorsänger, welche Bauern waren, über die Maßen verderbt worden, so wurde nun, solches zu verbessern,

von 1 ½ Jahren (der Bericht stammt aus dem Jahr 1747)darauf gedacht, wie man eine Orgel anschaffen möchte."

 

1. Orgel

Das Werk stand - wie heute - auf der Westempore, der Prospekt (= Vorderseite der Orgel mit den sichtbaren Pfeifen) schloß bündig mit der Brüstung ab. Die Empore war zu diesem Zeitpunkt - so ist zu vermuten - noch nicht nach vorne erweitert, sondern die Brüstung bildete eine Fläche. Die drei Bildtafeln ( Jakob schaut die Himmelsleiter, Jakob kämpft mit dem Engel, Joseph im Haus Potiphars) lagen also in einer Ebene.

Nach Angaben von Herrn Dr. Hans- Martin Balz, Glocken - und Orgelsachverständiger unserer Landeskirche, war diese erste Orgel gebaut von Johann Philipp Oberndörffer (geboren in Ober - Modau), Lehrer in Jugenheim und zugleich Orgelbauer. Diese berufliche Kombination war damals nicht selten.

Das Werk hatte ein Manual und vermutlich 6 oder 7 Register mit angehängtem Pedal.

Bis heute sind keine Angaben über die Disposition dieser Orgel gefunden, vielleicht lagern sie noch im Archiv der Landeskirche.

Dieses Instrument tat fast 160 Jahre seinen Dienst.

 

2. Orgel

Im Jahr 1905 erfolgt der Einbau einer neuen Orgel durch den Orgelbauer Friedrich Riederer zu Landshut in der Amtszeit von Pfr. Biegler. In der Chronik vermerkt er „Durch Beschluß des Kirchenvorstandes wurde eine neue Kirchenorgel von der Orgelbauanstalt Fr. Riederer zu Landshut angekauft und in unserer Pfarrkirche aufgestellt im Oktober 1905" (Chronik S. 127). Vieles spricht dafür, daß erst jetzt die Empore nach vorne erweitert wurde, um dem größeren -wohl gebrauchten- Werk den nötigen Platz zu geben. Dabei wurden auch die Bildtafeln rechts und links der Empore (Arche Noah und Verkündigung an Maria) in den Ecken teilweise verdeckt. Die Tafel ‚Marien Verkündigung‘ zeigt von Maria lediglich noch ein Bein und eine Hand, der Rest des Körpers ist noch vorhanden, aber durch die Brüstung zugedeckt.

Zu dieser Zeit kam die alte Orgel zunächst in die Pfarrscheune und wurde dort gelagert. Auf Veranlassung der Denkmalpflege wurde der Orgelprospekt später in die neu erbaute evangelische Kirche zu Niederklingen am Otzberg verbracht und dort eingebaut, wo er noch heute vorhanden ist. Die Denkmalspflege machte damals zur Auflage, daß das Äußere der neuen Orgel dem der alten angepaßt werden mußte. Über den Verbleib der alten Pfeifen, etc. waren ebenfalls noch keine Aufzeichnungen zu finden.

 

Nachdem Pfr. Biegler in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden war, übernahm Pfarrvikar Klingelhöfer für einige Zeit die Pfarrei. Nach seinen Aufzeichnungen in der Chronik Seite 159 f hat die neue Orgel nicht befriedigt, sie war sehr störanfällig. Auch ein weiteres Eingreifen durch die Fa. Riederer brachte keine Verbesserung. Das Großherzogliche Oberkonsistorium in Darmstadt empfahl der Gemeinde gar die Klage gegen den Orgelbauer. Aus der Chronik: „Wie auf Seite 127 dieser Chronik berichtet ist, wurde im Oktober des Jahres 1905 eine neue Kirchenorgel angeschafft. Dieselbe ist ein recht schlechtes und störanfälliges Werk. Zweimal war dieses Jahr der Herr Kirchenmusikmeister da, um das Werk zu prüfen. Alle Anforderungen an den bayrischen Orgelbauer Riederer, das Werk herzustellen, hatten keinen Erfolg. Er war einmal kurz hier, hat aber nichts besser, manches eher schlechter gemacht. Großh. Ob. Consist. (= Großherzogliches Oberkonsistorium) hat uns den Weg der Klage gegen Riederer empfohlen. Die Angelegenheit ist noch nicht erledigt (vergl. Akten)."

 

Manche können sich wahrscheinlich kaum vorstellen, daß auch diese Arbeiten in den Arbeitsbereich eines Pfarrers gehör(t)en - ob hauptsächlich oder nebenbei ist fraglich, hier verschwimmen die Grenzen. Aber wer soll es sonst machen?

 

3. Orgel

Am 17. Oktober 1909 kam Pfr. Bolitsch nach Hähnlein. Zu seinen ersten Aufgaben gehört es, sich der Orgel zuzuwenden. Im Jahr 1911 schreibt er in der Kirchenchronik (Seite 172) „Infolge der anhaltenden Trockenheit dürrte das Balgwerk der 1905 angeschafften Orgel derartig ein, daß sie nicht mehr gespielt werden konnte; ..."

In seiner Zeit - 1911- wurde diese Orgel ausgebaut und durch eine neue ersetzt. Die Arbeiten wurden durch die Orgelwerkstatt Förster & Nikolaus in Lich ausgeführt. Diese pneumatische Orgel hat 15 Register, 2 Manuale und Pedal. (nähere Beschreibung siehe Ende des Artikels)

 

Blitzschlag am 8. September 1952

Im Jahr 1952 hatte der Blitz in die Kirche eingeschlagen und die Orgel beschädigt. Hierzu schreibt Pfr. Lahl (Chronik, S. 267 ff):

 

Im Sommer des Jahres (an dieser Stelle keine Angabe, siehe dazu aber Protokollbuch des Kirchenvorstandes, Sitzung vom 15. September 1952, Seite 41) wurde unsere Orgel durch einen Kalten Schlag (Blitz) zerstört, richtetet aber, Gott sei Dank, keinen weiteren Schaden an. Schon am nächsten Tag meldete sich bei mir ein junger Mann, der sich als Pfarrerssohn und Orgelbauer, der bei Förster und Nikolaus in Lich / Oberhessen gelernt habe, ausgab und die Orgel so schnell als möglich, dazu auch abends, reparieren wollte. Soweit stimmten seine Angaben. Nach Rücksprache mit Kirchenvorsteher Christian Gerhard wurde ihm die Renovierung übertragen. So kam dieser junge Mann manchen Abend und klaute dabei die meisten Zinnpfeifen, um diese dann zu günstigem Preis zu verkaufen, ohne uns davon Kenntnis zu geben. Zum Abschluß seiner Arbeit hatte er dann noch die Frechheit mit dieser ‚klangverdünnten Orgel‘ ein Abendkonzert durch einen guten ‚Freund‘ geben zu lassen. Ein kleiner Trost ist, daß schon viele andere Gemeinden und Pfarrer auf die gleiche Weise angeschmiert worden waren."

 

 

Hierzu sei angemerkt, daß just zur selben Zeit auch in Niederklingen derselbe junge Mann - ein Herr Stumpf - tätig gewesen sein muß und in gleicher Weise auch dort so verfahren ist.

Anschließend wurde die Orgel wieder auf den alten Stand gebracht; diesesmal durch die Fa. Bosch, Kassel

 

Quasi 4. Orgel

Als sich die Fa. Bosch aus Kassel der hiesigen Orgel annahm, war es allgemein Trend, die Orgeln nach einem bestimmten ‚Klang-Muster‘ zu bauen. Das hieß für unsere Orgel, die alten, nach romantischem Orgelprinzip gebauten Register zu entfernen oder umzuarbeiten und dem neuen, mehr barock geprägten Zeitgeschmack anzupassen. Dabei verlor sie ihre ursprüngliche Klangfarbe der romantischen Orgelbewegung.

 

Eine Geschichte des Organistendienstes fehlt leider - aus Zeitgründen.

 

Aber es sei wenigstens noch darauf hingewiesen, daß die Orgel erst relativ spät ein elektrisches Gebläse zur Erzeugung des notwendigen Windes bekam. Bis dahin wurde dieser mit körperlicher Kraft erzeugt; die Bezeichnung für die ausführende Person ist Kalkant (lat. calcare, auf etwas treten) Dazu enthalten das Protokoll des Kirchenvorstandes wie auch die Chronik folgende Einträge:

„In der Sitzung des Kirchenvorstandes am 29. Mai 1953 wurde beschlossen

‚Die Vergütung für Balgtreten wird auf 40.- DM erhöht.‘ "

Es ist anzunehmen, daß es sich hier um ein Jahresgehalt (!) handelt, nicht etwa um eine monatliche Vergütung.

Und weiter in der Chronik schreibt der damalige Gemeindepfarrer:

„Bis zur Einführung eines elektrischen Gebläses an der Orgel haben das ‚Fischer-Gretchen‘ und ihr Mann, der ‚Fischer-Karl‘ treu und brav jeden Sonntag den Blasebalg getreten."

 

Möglicherweise haben in der Anfangszeit auch größere Schüler diesen Dienst versehen, bis sich daraus auch für unsere Gemeinde im Grunde ein nebenamtlicher Dienst entwickelte

 

In diesem Zusammenhang will ich noch erwähnen, daß der lange Hebel zum ‚Wind - machen‘ noch vorhanden ist, er befindet sich oben am rechten Treppenaufgang und ist allerdings außer Funktion.

 

 

Disposition der Orgel:

I. Manual: II. Manual: Pedal
1. Salicional 8‘ 7. Liebl. Gedackt 8‘ 12. Subbaß 16‘
2. Flöte 8‘ 8. Flöte 4‘ 13. Prinzipalbaß 16‘
3. Prinzipal 4‘ 9. Oktave2‘ 14. Gedacktbaß 8‘
4. Flauto dolce 4‘ 10. Quinte 1 1/3‘ 15. Choralbaß 4‘
5. Waldflöte 2‘ 11. Terzzimbel 3f. 1‘  
6. Mixtur 4 f. 1 1/3‘    

Hilfszüge: Manualkoppel, 2 Pedalkoppeln, Suboktavkoppel II-I, Superoktavkoppel II-I

Erbauer: Förster & Nikolaus, Lich / Oberhessen

Baujahr: 1911 / 12

Technik: pneumatische Kegelladen - Orgel


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