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In seinem Büchlein Ansichten über Hähnlein, 1973, hat der damalige Ortspfarrer Horst Seibert den Bericht des Bürgermeisters Valentin May zur Einweihung der neuen Kirche abgedruckt.

Einweihungsgottesdienst 1729

Hier soll einmal aus der Sicht eines Gastpfarrers, der bei der Einweihung anwesend war, berichtet werden, wie es nämlich der damalige Pfarrer von Bensheim Auerbach, Pfr. Zickwolf, getan hat. Herr Wilhelm Busch, Kirchenvorsteher in der evangelischen Kirchengemeinde zu Auerbach, hat dazu in den Mitteilungen des Museumsvereins Bensheim, Nr. 19, 2. Halbjahr 1988, geschrieben:

"Hähnlein gehörte 1729 zum althessischen Amt Zwingenberg und unabhängig von der wechselnden Zugehörigkeit zu den politischen Verwaltungsbezirken gehört es mit den anderen genannten Orten noch heute zum Evangelischen Dekanat Zwingenberg." *

"Im Jahre 1728, also vor 260 Jahren wurde der Kirchenneubau ‚im Hainlein‘, wie Hähnlein damals hieß, durch den Darmstädter Werkmeister Wilhelm Vornberger unter Mitwirkung des damaligen Hähnleiner Schultheißen Johann Valentin May begonnen. Wenn auch die Innenausstattung 1729 noch nicht ganz fertiggestellt war, so wurde die neue Kirche im Herbst dieses Jahres feierlich eingeweiht. Ein ausführlicher Bericht darüber befindet sich im ‚Protocollum pastorale Auerbach‘, Band I, auf den Seiten 108 - 109. Der damalige Pfarrer Christian Heinrich Zickwolf hat der Nachwelt unter der Überschrift ‚Collecte und Einweyhung der Kirche im Heinlein‘ folgendes überliefert:

Feste Simonis et Judae erat (es war am) 28. Octobris hat die Gemeinde Hainlein, Ambts Zwingenberg, auf gnädigste Erlaubnuß zu ihrem Kirchenbau in denen zwey Ämbtern Zwingenberg und Jägersburg ostiatim (von Tür zu Tür = Haussammlung) eine Collecte erhoben, wozu auch ich ex propriis (aus eigenen Mittteln) 1 fl (Gulden) gesteuert habe, da hergegen in denen anderen Ämbtern und Landen Ihro Hochfürstlicher Durchlaucht durch aufgestellte Becken (Opferbüchsen) diese Collecte soll erhoben werden.

Dominica XX. post Trinitatem (am 20. Sonntag nach Trinitatis) wurde die neue Kirche im Hainlein mit solennitaten (Feierlichkeiten) von Ihro Hochwürden dem Herrn Superintendenten Gebhardt von Darmstadt eingeweyhet, wozu, nebst anderen eingeladenen Herren Pastoribus auch ich vom Herrn Superintendenten bin beschriben (=angeschrieben) worden, welche solennitaet folgender Gestalt geschahe:

Zuvorderst war die Zusammenkunft in des Herrn General von Pretlacks Hause im Hainlein, woraus die Procession, nachdeme man geläutet, gegangen, und zwar zuerst die Schul- und anderen jungen Mägdlein mit Gräntzen (Kränzen) aufgebunden, hernach die Knaben mit Sträußen und Bänder auf den Hüten, nach diesen Handwerksleute, so an der Kirche gearbeitet hatten; diesen folgten die Hautboisten (hier: Militärmusiker, bevorzugte Instrumente waren Oboe und Fagott) vom Regiment des Herrn General von Schrautenbach von Darmstadt, welche bließen den ersten Vers aus dem Lied „Nun lob mein Seel den Herren", und zwar vorm Haus, hernach wurde die Procession fortgeführet, und haben die Schulmeister von Alspach und Hainlein mit den Kindern im angefangenen Lied fortgesungen, auch darbey die Hautboisten geblaßen.

Nach diesen gingen die erwachsenen Mannspersonen in schöner Ordnung, endlich folgten die Pastores einer nach dem anderen, da dann zuvorderst Herr Pfr. Hechler von Beedenkirchen ginge, tragend die Bibel, libros symbolicos (Bekenntnisschriften) und Kirchenordnung, hernach Herr Pfr. Draut von Jugenheim tragend das Taufbecken, weiter ich, Pfr. Zickwolf von Auerbach, tragend eine Communicanten Kande (= Abendmahlskanne), mir folgte Herr Pfr. Ruben von Alspach mit der anderen Kanden, diesem Herr Pfr. Nungesser von Bickenbach mit dem Communicanten Kelch, nach demselben Herr Pfr. Mettenius vom Zwingenberg mit der Hostien capsul (Hostiendose) und endlich Ihro Hochwürden der Herr Superintendens, convoiiret (geleitet) vom alten Herrn Pfarrer und emerito (hier: Pfr. im Ruhestand) Rühl von Schwanheim, nach welchem die Herren Beambten und viele andere honette (ehrbare) Personen folgten, wobey die gantze Straße mit Sand überführet war. Da nun viele tausend Menschen zugegen waren, so wurden die Kirchenthüren verschlossen, auch mit doppelter Wacht besetzt, damit die Procession ruhig hineingehen konnte, da dann die Schüler und Musicanten unterm Gesang in ihre angewiesenen Orte gingen. Die Pastores trugen die vasa sacra (heilige gefäße) auf den Altar und gingen in die Stühle, unter währender Zeit die Kirche von Menschen dermaßen angefüllt wurde, daß man hat die Thüren zuschließen müssen, und viele 100 draußen geblieben sind.

In der Kirche wurde anfänglich gesungen „Komm Heiliger Geist", hernach „Zeuch ein zu Deinen Thoren", worunter die Hautboisten bließen, auch auf dem Positiv (transportable Kleinorgel) geschlagen wurde, nachgehens wurde vom Herrn Pfarrer von Alspach vor dem Altar verlesen ein besonders hierzu gerichtetes Gebeth, nebst Cap. 8 1. Regum (1. Buch der Könige, Kapitel 8).

Ferner wurde vom Herrn Cantore und Choristen aus Darmstadt eine schöne Music gemacht, nach welcher gesungen wurde „Allein Gott in der Höh sei Ehr", worauf Herr Superintendens eine geistreiche Predigt gehalten über das ordentliche (d.h. für diesen Sonntag allgemein vorgesehene) Evangelium (Matth. 22, 1-14).

Der Introitus (der Anfang) war ab occassione temporis (frei übersetzt: aus gegebenem Anlaß), da er heute abermahls eine Kirche, und zwar zeit seines Superintendenten Ambts innerhalb 13 Jahren die 7. einweyhen wollte. Exordium (Einleitung; hier: Predigttext) erat ex Hosea 2, 21: „Ich will mich mit dir verloben in alle Ewigkeit". Thema: Wie er heute dieses Haus zu einem geistlichen Vermählungs Haus einweyhen wollte. Part. (Teil) I wozu es geschehen sollte, II wie und vor (für) wen es eingeweyhet werden sollte.

Nach der Predigt wurde wieder eine schöne Music gehalten, wornach die Procession nach 2 Uhr nachmittags in voriger Ordnung, doch in der Stille und ohne Gesang wieder in des Herrn general von Pretlacks Haus ginge, die Pastores trugen auch die Bücher und vasa sacra in voriger Ordnung zurück, auch wurde eine Collecte gesamblet an der Kirchenthüre so über 50 fl ertragen Endlich (wurden) die Schüler dimittiret (entlassen), die Herren Pastores aber, die Herren Beambten mit dem Herrn Superintendens und anderen Manns- und Weibspersonen an 3 Tischen herrlich tractiret (hier: bewirtet), da unter währender Mahlzeit, so in des Herrn Schultheißen Haus gehalten worden, die instrumental und vocal Music alternative (abwechselnd) sich hören lassen.

Der Herr laß diese einweyhung zu vielem Segen und geistl. Vermählung mit Jesu gedeihen. Amen."

 

 

* mittlerweile Dekanat Bergstraße


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