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Ancaht für den Monat Mai

Bittende Kinder

Ende Mai feiern wir Pfingsten: das Fest des Heiligen Geistes, das Wunder des Einander-Verstehens über alle Gräben von Sprache, Herkunft und Kultur hinweg.

Aber wie weit sind wir zur Zeit davon entfernt! Eher herrscht rundum die große Lähmung – wie damals nach Ostern bei den Jüngern Jesu in ihrer selbst gewählten Quarantäne hinter dicken Mauern und verschlossenen Türen. Eher hat der Durcheinanderbringer-Geist uns fest im Griff – wie damals auf den Straßen und Plätzen im Stimmengewirr der Menschen, die aus aller Herren Länder in der Stadt waren, aber einander nicht verstanden, nicht zuhörten.

Vielstreitendes Stimmengewirr: Das kennen wir! Und Corona wirkt wie ein Verstärker, durch den alle noch lauter um ihre Interessen schreien: Industrie und Landwirtschaft, große Unternehmen und kleine Händler, Kommunen und Bundes- länder. Restaurant- und Hotelgewerbe, Reisebranche, Sport, Theater. Jeder will und jeder braucht Unterstützung.

Aber dann sind da noch die, die in all dem Lärm untergehen, weil sie keine eigene Stimme haben - noch nie hatten, und jetzt in der Pandemie schon gar nicht mehr. Die Wohnungslosen und Suchtgefährdeten, deren Anlaufstellen zu sind. Die Bewohner von Behindertenheimen ohne fürsorgende Angehörige, die ihnen einen Impftermin ergattern. Nicht zuletzt auch die Kinder, vor allem aus sozial schwachen Familien. Jedes fünfte Kind in unserem Land lebt unterhalb der Ar- mutsgrenze. Keines von ihnen stirbt Hungers, aber viele sitzen seit Wochen tagelang vorm Fernseher, haben kaum Bewegung in der engen Wohnung, sind elterlichem Frust und Streit ausgeliefert.

Von Gemeinschaftsgeist und Verstehenswunder ist für diese Menschen, diese Kinder weit und breit keine Spur. Es sei denn, es wird Pfingsten! Es sei denn, da sind welche, die ihnen ihre Stimme lei- hen, Türen auftun, Hände reichen.

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen! Sprüche 31,8 (E)

Der biblische Monatsspruch für Mai passt zu Pfingsten im zweiten Coronajahr. Er passt übrigens auch zum Muttertag im Mai. Denn dieser Vers ist der Ratschlag einer Mutter an ihren Sohn. Lemuel, ein biblischer Stammeskönig, ein Mann von Macht und Einfluss also, war es, der diesen Rat von seiner Mutter erhielt. Sie hatte ihn gelehrt, worauf es ankommt, um als König erfolgreich zu sein. Stets sollte er bedenken, dass jede Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied. Deshalb sollte er sein Augenmerk nicht auf die Starken legen, die für sich sorgen können, vielmehr auf die Bedürftigen.

Mütter und ihre Ratschläge...

Nein, gewiss nicht immer sammelt sich da die geballte Weisheit. Trotzdem bringt der Monatsspruch mich auf das Gedankenspiel, wie anders diese Welt aussähe, würden mehr Mächtige und Einflussreiche ihren Müttern zuhören!

Nicht nur den Müttern. Auch Vätern, Lehrenden, Erziehern, allen, die künftigen Führungskräften zeigen, wie Leben in Verantwortung füreinander geht. Haben wir es doch gerade wieder gelernt im derzeitigen Ausnahmezustand: Nur gemeinsam können wir die Gefahr bannen. Alle noch so große Stärke verschafft dem Einzelnen keinen Erfolg, wenn er das Ziel nur für sich allein ansteuert. Und umgekehrt: Wenn wir einander mitnehmen auf dem Weg, auch die Schwächeren unter uns, kommt am Ende auch für uns selbst das Bessere heraus.

Das sollten wir unsere Kinder heute lehren. Denn morgen sind sie es, die Verantwortung tragen in Politik oder Wirtschaft, in Rechtsprechung, Forschung oder Industrie. Wes Geistes Kinder werden sie dann sein?

Hoffentlich getrieben vom Geist Gottes! Vom Heiligen Geist, der Menschen nicht entzweit, sondern in aller Verschiedenheit zusammenbringt und vor dem jeder gleichermaßen wertvoll ist. Pfingsten fällt nicht vom Himmel. Wir müssen uns dahin auf den Weg machen. Dann fließt Gottes Geist auch unter uns. Und breitet seine Segenskraft aus.

Hoffnungsfrohe Maien-Grüße sendet Ihnen Ihre Pfarrerin Julia Fricke


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